Edith Schollwer

Schauspielerin Edith Schollwer ist tot

Berlin (rpo). Die Berliner Schauspielerin und Kabarettistin Edith Schollwer, ist am Dienstag im Alter von 98 Jahren in Berlin gestorben, wie ihre Pflegerin am Mittwoch mitteilte.

Schollwers Name ist unverwechselbar verbunden mit den besten Zeiten des Berliner Funkkabaretts „Die Insulaner“ vor allem in den 50er Jahren. Das von ihr gesungene programmatische Einführungslied „Der Insulaner verliert die Ruhe nicht – und hofft unbeirrt, dass seine Insel wieder ’n schönes Festland wird“ wurde zu einem Markenzeichen dieses von Günter Neumann ins Leben gerufenen, ungemein populären Kabaretts mit Bruno Fritz, Tatjana Sais, Walter Gross und Ewald Wenck. Vor allem aber war es in den Jahren des Kalten Krieges die weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannte und vom „Rundfunk im amerikanischen Sektor“ (Rias) ausgestrahlte „Durchhalte-Hymne“ des geteilten und schließlich eingeschlossenen Westteils Berlins, geboren während der Berliner Blockade durch die Sowjets.

Die am 12. Februar 1904 geborene Schollwer, deren „Markenzeichen“ die typische Berliner Verbindung von „Mundwerk mit Herz“ war, begann ihre Schauspielerlaufbahn auf der Operettenbühne und verkörperte bald alle großen Rollen ihres Fachs wie die Adele in der „Fledermaus“. Gustaf Gründgens holte sie für seine Kabarett-Revue „Alles Theater“, und auch an den Berliner Sprechtheatern war sie bald vielbeschäftigt. 1928 trat die junge Schollwer in der Eröffnungsrevue im „Haus Vaterland“ am Leipziger Platz, „Hereinspaziert!“, auf. Später kam der Hörfunk, wo sie unter anderem in der Reihe „Die Buchholzen“ populär wurde, bevor sie Günter Neumann für seine „Insulaner“ entdeckte. Im Fernsehen sah man sie unter anderem im ZDF als Oma in der Serie „Die Wicherts von nebenan“.

Rheinische Post, 3.10.2002

Die möcht ich sehn! – Edith Schollwer

Sie hat Scharm, sie hat ein herzerfrischendes Mundwerk, sie hat Herz. Kurzum: Sie ist eine typische Berlinerin. Jeder in Berlin kennt sie, jeder liebt sie. Wenn sie über die Straße geht, rufen sie Kinder ihr nach: “Wilhelmine, wat macht denn dein Karl?” Aber sie heißt garnicht Wilhelmine, sondern Edith. Und sie hat auch keinen Karl. Aber sie hat die Wilhelmine in der RIAS-Sendereihe “Die Buchholzen” gesprochen und den größten Teil der Popularität dieser Sendung auf sich gezogen. Seit ihrer Kindheit gab es für Edith Schollwer eigentlich nur zwei Dinge: Musik und Theater. Mit sechs Jahren sang sie kleine Sopranpartien im Kirchenchor. Und noch heute trägt sie eine heimliche Liebe zur ersten Musik, zur seriösen Kunst im Herzen.

Ausbildung? – “Natürlich nahm ich später Unterricht. Aber ich war eigentlich ein Naturtalent und wurde sofort ans Künstlertheater engagiert”. Dort spielte und sang sie die berühmten Soubrettenpartien der klassischen Operette. Nach dem Krieg wurde sie für das Kabarett entdeckt. Gustaf Gründgens holte sie für seine Kabarett-Revue “Alles Theater”. Die Texte schrieb der Mann, der ihr noch heute seine Chansons in den Mund legt: Günter Neumann, der “Insulaner Numero eins”.

In den letzten Jahren stand sie auch des öfteren auf den Bühnen der Berliner Sprechtheater. Die Kollegen überreichten ihr zu ihrem Geburtstag ein Transparent. Es hängt vor ihrer Tür: “Bei Edith – hier erholt man sich von seiner Ehrbarkeit”. Aber das gilt nur auf der Bühne des Hebbeltheaters und für Thomas Lustspiel. Privatim gibt sie sich, wie sich die meisten echten Künstler geben: unverkünstelt, unbefangen, unverstellt. Von ihren zahlreichen Terminen beim Funk, Kabarett, Film und Fernsehen erholt sie sich bei ihrer Briefmarken-Sammlung. Außerdem liebt sie Hunde. Diese Woche singt sie in der Suppé-Operette “Zehn Mädchen und kein Mann”.

Aus “HÖR ZU” vom 22. April 1956

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